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Liebe Leser,
"An der Börse wird nicht geklingelt" heißt es in einer vielzitierten Börsenweisheit. Das stimmt natürlich – zumindest meistens. Gestern Abend allerdings gab es das Klingeln sogar auf Vorbestellung. Um exakt 20:00 Uhr verkündete die US-Notenbankchefin Janet Yellen, dass der Leitzins unverändert bleibt – wie allgemein erwartet. Eine halbe Stunde später bereitete Frau Yellen dann auf der Pressekonferenz die Finanzwelt auf eine Zinserhöhung im laufenden Jahr vor – ebenfalls wie erwartet. In der Folge legten die Kurse an der Wall Street deutlich zu. Das war nun nicht unbedingt von jedem erwartet worden, ist aber durchaus nachvollziehbar.
Nasdaq erreicht neues Allzeithoch
Denn jetzt ist die Sache relativ klar: Es wird maximal diese eine Zinserhöhung in diesem Jahr geben, vermutlich im Dezember – und diese Klarheit kommt an den Märkten gut an. Der Dow Jones, der noch kurz vor der Notenbankentscheidung leicht ins Minus gerutscht war, beendete den Handel mit einem ordentlichen Plus von 160 Punkten oder 0,9 Prozent. Der Nasdaq stieg sogar um 1,0 Prozent und erreichte mit 5.295 Punkten den höchsten Schlussstand aller Zeiten. Dieses neue Allzeithoch dürfte nun weitere Käufe nach sich ziehen. Zumal tatsächlich einige große Adressen der Finanzbranche mit der vermeintlich erwarteten Zinsentscheidung auf dem falschen Fuß erwischt wurden.
Dow Jones, Tageschart
Bill Gross verschlägt es die Sprache
Prominentestes „Opfer“ war der Anleihe-König Bill Gross, dem es sogar fast die Sprache verschlagen hat. Seiner Meinung nach wäre eine Zinserhöhung aufgrund der soliden Konjunktur überfällig gewesen. Aber die US-Notenbank würde ihre Entscheidungen nicht aufgrund der vorliegenden Wirtschaftsdaten treffen, sondern das tun, was der Markt von ihr erwarte, so Gross. Andere Experten warfen Yellen vor, die Notenbankentscheidungen seien politisch motiviert, auch wenn diese das auf das gestern – logischerweise – dementierte.
Neuer Treibstoff
Am Ende spielt das auch gar keine Rolle, was die Entscheidung letztlich ausgelöst hat. Fakt ist, dass die Zinsen unverändert niedrig bleiben. Und sehr wahrscheinlich ist nun wohl, dass zukünftige Zinserhöhungen weitaus moderater vorgenommen werden als bisher erwartet. Und genau das ist der Treibstoff, den die Märkte brauchen. Wie hat es unser Ex-Nationaltorwart Oliver Kahn im Jahr 2001 beim Hochhalten der Meisterschale so treffend auf den Punkt gebracht: „Da ist das Ding“.
Und das "Schöne" ist, dass offenbar wirklich zahlreiche größere Adressen mit der gestrigen Entscheidung auf dem falschen Fuß erwischt wurden und jetzt entweder ihre Shortpositionen eindecken oder den steigenden Kursen hinterherlaufen müssen. Dabei wurde doch gestern um 20:00 Uhr extra geklingelt.
Viele Grüße und viel Erfolg,
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